Obwohl die Schwergewichte Netflix, Amazon und Disney den SVoD-Markt (Subscription Video on Demand, Abo-basierter Videoabruf) bestimmen, bekommt die Erfolgsstory dieser etablierten Marken langsam Risse, zumal neue Anbieter weitere Streaming-Produkte lancieren. Christian Heinkele ist Unternehmensberater, seit über 20 Jahren in der TMT-Branche tätig, betreibt den Podcast „TV Helden“ und bildet TV-Manager aus. Mit MediaLABcom sprach Heinkele über die neuen Herausforderungen im Streaming-Markt und was diese mit Kuchen und Pudding zu tun haben.
MediaLABcom: Herr Heinkele, die Goldgräberstimmung im Streaming-Markt scheint vorbei zu sein. Welche Anzeichen nehmen Sie im Markt wahr, dass sich die Zeiten für Netflix und Co. ändern?
Christian Heinkele: Meiner Meinung nach gab es insbesondere deshalb eine Goldgräberstimmung, weil die Streaming-Anbieter an der Börse als Technologie- und nicht als Medienunternehmen bewertet wurden. Das hat sich inzwischen nivelliert, obwohl die Trends zum Streaming und zeitunabhängigen TV-Konsum nach wie vor eindeutig sind und aus meiner Sicht auch bestehen bleiben.
Der Bewegtbildkonsum individualisiert sich seit einigen Jahren. Nutzer suchen aktiv und selbstbestimmt nach Inhalten, die sie interessieren. Inzwischen wird zudem jede noch so kleine Geschmacksnische bedient. Deshalb glaube ich auch nicht, dass das Wachstum an Bewegtbildangebot abebben wird.
Neben dem Konsum für non-lineare Bewegtbildinhalte, die den Nutzer in verschiedenen Businessmodellen angeboten werden, wächst in Deutschland auch die Zahlungsbereitschaft für solche Inhalte über alle Zielgruppen hinweg – der sogenannte Netflix-Effekt. Das trifft insbesondere auf die Altersgruppe 50+ zu, die jetzt massenmäßig Treiber diese Trends sind. Und weil das Marktpotenzial und die Anzahl von Anbietern gleichermaßen wachsen, wird der Marktanteil für jeden einzelnen Anbieter kleiner. Darin liegt die Herausforderung.
MediaLABcom: Die Marktanteile an der Spitze sind aber relativ stabil: Netflix und Amazon kämpfen um die Vorherrschaft, dahinter folgt Disney+. Wird sich das noch einmal ändern? Kann Disney noch weiter aufholen?
Christian Heinkele: Disney hat gegenüber den Wettbewerbern einen großen Vorteil, denn die Marke ist seit Jahrzehnten etabliert und steht für ein klares Content-Versprechen: hochwertige Inhalte für die ganze Familie. Dass Disneys erprobte Marketingmaschinerie auch im Streaming erfolgreich sein würde, stand außer Frage. Disney begann auch deshalb schon lange vor dem Start von Disney+ damit, die eigenen Inhalte von anderen Partnern abzuziehen.
Das Content-Versprechen ist bei Netflix viel undifferenzierter. Netflix ist ein global aufgestelltes Technologieunternehmen, das sehr breite Zielgruppen adressiert und weltweit für diese Zielgruppen Inhalte produziert. Dass spanische oder koreanische Produktionen weltweiten Erfolg haben, hat sicherlich viele überrascht. Diese Erfolge sind nur sehr schwer wiederholbar. Netflix versucht die eigene Diversifizierung mit einer enorm großen Masse an Inhalten zu lösen. Das ist ein sehr teures Unterfangen, allerdings für Netflix notwendig, um vorne dranzubleiben. Disney wird durch die Markenbekanntheit und die Produktpositionierung weiter aufholen.
MediaLABcom: Und Amazon?
Christian Heinkele: Amazon verfolgt ein ganz anderes Businessmodell. Im Gegensatz zu Netflix ist der Druck, mit Video-Streaming Gewinne erzielen zu müssen, bei Amazon vergleichsweise gering. Über attraktive Inhalte wird versucht, Nutzer in Prime-Kunden zu konvertieren, denn Prime-Kunden bestellen wesentlich mehr bei Amazon als die anderen Konsumenten.
Deshalb herrscht zwischen Netflix, Disney und Amazon Prime Video ein ungleicher Kampf. Amazon kann es sich leisten, teure Fußballrechte zu kaufen, quasi kostenlos herzuschenken, um andere Geschäftsfelder zu pushen. Diese Quersubventionierung des TV-Produkts gelingt einer Netflix nicht, Netflix hat nur ein Produkt. Amazon dagegen positioniert sich mit Alexa und dem Fire-TV-Stick als Entertainment Hub im Wohnzimmer und übernimmt den Fernseher.
Spannend wird es, wenn Amazon ein vollumfängliches TV-Angebot, basierend auf den eigenen Plattformen, in den deutschen Wohnzimmern installiert hat und zum Commodity-Produkt geworden ist. Denn dann bestimmt Amazon weitestgehend die Einnahmequellen der Inhalteanbieter und verlangt seinen Anteil an den Werbeerlösen. Dagegen werden zwischen Netflix und Disney+ die Inhalte entscheiden, wer am Ende die Nase vorn hat.
MediaLABcom: Mit Peacock und Discovery+ sind in diesem Jahr gleich zwei neue Anbieter in Deutschland gestartet. Welche Chancen haben die noch?
Christian Heinkele: Der Bewegtbildkonsum splittet sich sehr stark auf, wobei es dem Nutzer zunächst egal ist, wie er an den Content kommt, ob im Streaming, linear, über Satellit oder im Kabel usw. Hauptsache er wird gut unterhalten und es ist einfach. Allerdings, das berühmte TV-Lagerfeuer, alle schauen zur gleichen Zeit ein TV-Event, wird es nicht mehr geben. Daher ist die entscheidende Frage für alle Streaming-Anbieter: Kann ich mit dem kleinen Stück des Kuchens, das für mich übrigbleibt, Gewinne erwirtschaften? Dafür müssen die Kostenstrukturen schlank sein.
Das haben die neuen Streaming-Anbieter mittlerweile begriffen, denn sie erleben, dass der Direct-to-Consumer-Ansatz nicht mehr so gut funktioniert wie in der Vergangenheit. Die Etablierung neuer Marken wie Peacock oder auch Discovery+ kostet ebenso wie die Abrechnung, die Kundengewinnung und -bindung sowie die Verbreitung enorm viel Geld. Daher schließen sich die ersten Anbieter zusammen. In Skandinavien gibt es zum Beispiel SkyShowtime mit Peacock, NBC Universal und Paramount+.
Ich glaube zudem, dass diese Anbieter noch etwas auch erkannt haben: Eine TV-Plattform stampft man nicht mal so eben aus dem Boden. Der Plattformbetrieb ist eine Kernkompetenz. Deshalb wächst bei den neuen Streaming-Anbietern das Interesse, mit IPTV- und Kabelnetzbetreibern zu kooperieren, denn letztendlich sind es die Telcos, die die Kundenbeziehung haben, die die Abrechnung mit dem Kunden beherrschen, die Inhalte aggregieren, diese über eine Content Discovery zur Verfügung stellen können und die die Infrastruktur zum Streamen besitzen.
MediaLABcom: Während der Corona-Lockdowns verzeichneten die SVoD-Anbieter enorme Zuwächse. Werden diese Gewinne von der hohen Inflation aufgefressen? Sparen die Bürger beim Medienbudget?
Christian Heinkele: Fernsehen ist des Deutschen Lieblingsbeschäftigung. Die Ausgaben dafür sind feste Größen im Haushaltsbudget. An den Kosten für den Rundfunkbeitrag oder den auf Raten gekauften 55-Zoller kann man nichts ändern. Es existiert aber eine Obergrenze für die Zahlungsbereitschaft mit Blick auf Abonnements, die ich mit maximal 25 Euro pro Monat taxieren würde. Da die Haushalte jetzt durch die Inflation und steigende Energiekosten gezwungen sind, ihre Budgets zu optimieren, gehe ich davon aus, dass diese Obergrenze in der nächsten Zeit wahrscheinlich sinken wird.
Die Folge: Konsumenten werden die monatliche Kündigung ausnutzen und schneller zwischen den SVoD-Angeboten wechseln. Zusätzlich wird die Nachfrage über werbefinanzierte Streaming-Angebote gedeckt werden, wenn der Konsument seine Inhalte nicht im linearen Fernsehen findet.
MediaLABcom: Amazon hat bereits das werbefinanzierte Angebot Freevee gestartet, Netflix wird ebenfalls bald auf Werbung setzen. Warum ist für die Streaming-Anbieter Werbung plötzlich so attraktiv?
Christian Heinkele: Weil sie feststellen, dass sich Kostensteigerungen nicht mehr ohne Weiteres über steigende Abo-Preise refinanzieren lassen. Deshalb sehen wir hybride Modelle, wie sie in Kürze von Netflix und Disney+ gestartet werden, d. h. der Kunde zahlt immer noch ein Abo, aber das ist günstiger, da pro Stunde zum Beispiel vier Minuten Werbung ausgespielt werden. Also, der pure Subscription-Hype ist vorbei.
MediaLABcom: Gräbt sich Netflix durch ein hybrides Modell nicht selbst das Wasser ab? Könnte ein Abo mit Werbung die Marke Netflix beschädigen?
Christian Heinkele: Der Engländer sagt ja „The proof of the pudding is in the eating.“ Es wird sich zeigen, ob hybride Angebote funktionieren oder nicht. Natürlich werden sich Netflix und Disney+ gut überlegt haben, wie viele Premiumkunden zum günstigeren Hybrid-Abo wechseln und wie viel Umsatz sie dadurch zunächst verlieren werden. Diese Verluste können sie nur kompensieren, wenn sie neue Kundengruppen ansprechen und mit Werbung mehr Umsätze als mit den verlorenen Premiumkunden erzielen.
Ich glaube nicht, dass Netflix seine Marke mit Hybrid-Angeboten schädigt. Netflix ist nach wie vor Pay-TV und steht immer noch für Premiuminhalte. Daran wird auch das neue Hybridmodell nichts ändern.
MediaLABcom: Bei Freevee taucht der Name Amazon nicht auf. Das Unternehmen spricht auch nur noch von „Prime Video“. Sky verzichtet bei seinem Streaming-Angebot Wow ebenfalls auf den etablierten Markennamen. Stören die alten Marken beim relativ neuen Streaming?
Christian Heinkele: Spannende Frage. Das Abkoppeln der Streaming-Dienste von der Kernmarke ist eine teure Angelegenheit, macht die Dienste aber auch beweglich, d. h. Amazon kann die USP, die es mit Prime hat, deutlicher hervorheben. Hier gibt es exklusive Inhalte, während man auf Freevee die gesamte Klaviatur der Werbefinanzierung spielen und neue Konsumenten ansprechen kann.
Sky hat mich persönlich mit Wow überrascht. Der vergleichbare Dienst in Großbritannien heißt Now TV. Der Name war in Deutschland schon besetzt. Die Marke Sky steht hierzulande sehr stark für Sport. Mit Wow kann der Streaming-Dienst neu positioniert werden. Der Sky-Eigentümer Comcast verfügt mit diversen Marken wie NBC Universal über eines der größten Entertainment-Portfolios weltweit. All diese Marken können nun in Wow integriert werden.
Ich denke auch, dass es kein Zufall war, dass Wow mit dem Start der Serie „House of dragon“ von HBO eingeführt wurde. Durch diesen starken Content gelingt es sicherlich schneller, die neue Marke einzuführen. Die Herausforderung besteht aber auch hier, den Kunden zu halten und ihn nicht am Ende der Staffel an die Wettbewerber zu verlieren.
MediaLABcom: Werbung im VoD-Bereich ist nicht neu, schließlich existieren AVoD-Anbieter (Advertising Video on Demand, werbefinanzierter Videoabruf) wie Netzkino oder wedotv, das aus Watch4 hervorging, schon seit längerem. Wie hat sich der AVoD-Markt bislang entwickelt?
Christian Heinkele: Der AVoD-Markt explodiert gerade und wird sicherlich aus den genannten Gründen, deretwegen die Werbefinanzierung im Abo-basierten Streaming Einzug hält, weiterwachsen. Werbefinanzierung im linearen TV ist seit Jahrzehnten gelernt und der wahre Wegbereiter im Non-Linearen war übrigens YouTube. Die Plattform hat AVoD etabliert.
Die Anbieter nutzen den kostengünstigen Verbreitungsweg Internet, sind also OTT und können sehr spezifisch auf Zielgruppen zugehen. AVoD kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Konsument woanders, zum Beispiel bei seinen SVoD-Diensten, nicht fündig geworden ist, aber auch nicht noch mehr Abos abschließen und bezahlen möchte. Deshalb wächst das AVoD-Angebot, lässt sich refinanzieren und wird hochwertiger.
Zudem sieht man, dass Plattformen wie Netzkino oder wedotv in die Portfolios der IPTV-Betreiber aufgenommen werden. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Betreiber davon ausgehen, mit solchen Diensten Geld verdienen zu können. AVoD-Dienste drehen also auch die Geschäftsmodelle der Plattformen. Während bisher die TV-Plattform für Inhalte zahlen musste, kann sie nur von AVoD-Anbietern eine Umsatzbeteiligung erwarten. Ich bin mir sicher, dass AVoD ein etablierter Teil des Medienkonsums wird und das nicht nur, wenn die Obergrenze für das SVoD-Budget in den Haushalten erreicht ist.
MediaLABcom: Die Zukunft sieht für AVoD also gut aus.
Christian Heinkele: Auf jeden Fall. AVoD lässt sich sehr gut refinanzieren. Es handelt sich um Targeted Advertising, d. h. die Werbung ist für den Konsumenten relevant. Werbetreibende können Streuverluste minimieren. Die Messbarkeit ist gegeben. Hier muss das lineare Fernsehen noch schneller und besser werden, um mithalten zu können.
MediaLABcom: Neben AVoD und SVoD entwickelt sich auch ein Markt für lineare, werbefinanzierte Streaming-Kanäle: Free Ad-Supported Streaming TV, kurz FAST. Ist das eine ernstzunehmende Gefahr für A- und SVoD?
Christian Heinkele: Man sollte sich zunächst genauer anschauen, worum es sich bei FAST handelt. Es sind ja keine linearen TV-Sender, die ausschließlich über OTT verbreitet werden, sondern eher kuratierte AVoD-Angebote, die unter einer griffigen Senderbezeichnung sehr spitz auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden. Durch den linearen Charakter kann der Nutzer zappen und durch die eindeutigen Brands seinen Suchaufwand minimieren. Warum ich FAST Channels als ein AVoD-Angebot bezeichne? Die meisten Anbieter verfügen über eine Restart-Funktion, um die laufende Sendung von vorn zu starten.
Im europäischen Ausland lancieren IPTV-Anbieter zwischen 100 und 150 solcher FAST Channels. Das ist schon eine sehr große Auswahl, was auch daran liegt, dass das lineare Free-TV-Angebot im Ausland wesentlich kleiner als in Deutschland ist. Aber auch hierzulande werden wir einen enormen Zuwachs an FAST Channels erleben, weil es die günstige Kostenstruktur ermöglicht, sehr speziell auf die Zielgruppe einzugehen. Das ist natürlich auch für Werbetreibende interessant, um genau ihre Zielgruppe anzusprechen.
MediaLABcom: Mit Werbung und linearen Kanälen kennen sich die privaten Programmanbieter aus Deutschland gut aus. RTL+ und Joyn setzen auf einen Mix an Werbe- und Abo-Modellen. Überfordern sie damit den Zuschauer?
Christian Heinkele: Die Aufgabe des TV-Managers ist es, das Angebot und die Preisgestaltung so einfach wie möglich zu halten, damit der Zuschauer nicht abspringt. Joyn verfolgt die klare Strategie, junge Zuschauer über kostenlose Angebote zu gewinnen und sie zu regelmäßigen Nutzern zu machen, um sie dann durch Premiuminhalte in zahlende Kunden zu konvertieren.
Ich glaube nicht, dass die Zuschauer überfordert werden, denn inzwischen kann man als gelernt voraussetzen, dass ich als Nutzer bis zu einem gewissen Maß Inhalte kostenlos erhalte und für andere, exklusive Inhalte eben zahlen muss.
MediaLABcom: Und RTL? Die Geschäftsführung wurde unlängst erneut ausgewechselt.
Christian Heinkele: Was RTL mit RTL+ vorhat, geht tief in die DNA des Unternehmens hinein. Es geht um Unternehmenskulturen, die zusammenwachsen müssen. Das ist mehr, als wenn man „nur“ ein neues Produkt in den Markt bringt. Wir sprechen bei RTL+ um ein trimediales Produkt, welches neben Bewegtbildinhalten auch Audio oder Printinhalte bietet. Diese verschiedenen Mediengattungen zusammenzuführen, Synergien zu heben und dahinter eine funktionierende Mannschaft zu formen, ist alles andere als einfach. Das hat sehr viel mit Unternehmenskulturen zu tun, die hier aufeinanderprallen. Ich bin mir aber sicher, dass man in der Führungsetage von RTL weiß, wer diesen Schritt erfolgreich vollziehen kann.
MediaLABcom: ProSiebenSat.1 hat die Discovery-Anteile an Joyn übernommen, wobei die Inhalte der US-Amerikaner weiter auf der Plattform zu sehen sind. Wird das in Zukunft so bleiben? Wie wird es mit Joyn weitergehen?
Christian Heinkele: Discovery schaut sehr stark auf die eigene Marktpositionierung und wird sich weltweit auf den eigenen Service konzentrieren. Ob Joyn darunter stark leiden wird, bleibt abzuwarten. Im Gegensatz zu RTL+ hat Joyn den Spagat zwischen klarer Positionierung mit Originals und der Aggregation von Partnerinhalten wie zum Beispiel ARD und ZDF gewählt. Aggregation machen sehr viele TV-Plattformen. Bleibt der exklusive Inhalt und die Content Discovery. Während man früher gesagt hat, es geht um Content und Preis, spielt heute und in Zukunft die Content Discovery bestehend aus Benutzerführung, Auffindbarkeit, Empfehlungen wie auch kundenzentrierten Prozessen eine viel größere Rolle.
Es existieren internationale Studien, wonach sich der Kunde mehr und mehr für die Plattform entscheidet, mit der er am besten zurechtkommt und am schnellsten die für ihn relevanten Inhalte findet. Das ist für den Kunden zunehmend wichtiger als der Inhalt selbst. Joyn muss für ein klares Nutzerversprechen stehen und wenn Joyn weiterhin sehr gute Originals produziert und eine gute Content Discovery über die diversen TV-Angebote hinbekommt, hat die Plattform eine Daseinsberechtigung.
MediaLABcom: Also sehen Sie keine Notwendigkeit darin, die einst gescheiterten Versuche mit Germany’s Gold und Amazonas erneut aufleben zu lassen?
Christian Heinkele: Der Aggregationsgedanke, der hinter Germany’s Gold und Amazonas stand, ist heute bereits umgesetzt bzw. die Plattformen bewegen sich dort hin. Das Angebot an Free-TV und Pay-TV, die zig SVoD- und AVoD-Angebote werden heute schon von den TV-Plattformen aggregiert, zum Teil auch zu neuen Bundles formiert. Wir haben im Markt MagentaTV, waipu.tv, 1&1 TV, Giga TV usw. Es existieren also bereits einige Hulus. Meiner Meinung nach ist das in der jetzigen Situation ausreichend. Da braucht es meiner Ansicht nach kein Germany’s Gold mehr.
MediaLABcom: Aber können all diese Einzelkämpfer trotz steigender On-demand-Nutzung, etablierter Marken und erfolgreicher Eigenproduktionen den US-Streaming-Giganten Paroli bieten?
Christian Heinkele: Die Marke ist enorm wichtig. Eine etablierte und gut positionierte Marke gibt Vertrauen und reduziert den Suchaufwand beim Kunden, gerade wenn sich der Nutzer durch einen Dschungel an Inhalten kämpfen muss. Deswegen macht auch RTL+ mehr Sinn als TVNOW. Die breite Masse an Kunden hat über Jahrzehnte gelernt, welche Inhalte sie zum Beispiel am Donnerstag um 20.15 Uhr bei RTL, der ARD oder bei anderen TV-Sendern erwarten. Gelerntes Verhalten verändert sich nicht so schnell und der deutsche TV-Konsument ist im Vergleich träge.
Jetzt verteidigen die deutschen Medienhäuser den Markt, den sie bisher allein gestaltet haben. Sie verlängern das lineare Programm mit ihren xVoD-Portalen. Hierfür sind erfolgreiche Eigenproduktionen und deutsche Formate wichtig wie auch intelligente Werbemodelle. Hier haben die deutschen TV-Sender den Vorteil, dass sie den regionalen Markt und den Zuschauer sehr gut kennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas wie „Der Bergdoktor“ in Zukunft von Netflix produziert wird.
Aber: Die US-Streaming-Anbieter können ihre Inhalte global vermarkten und haben dadurch einen Kostenvorteil denn TV ist nun mal ein Skalengeschäft. Das ist mit regionalen Produktionen schwierig. Hier haben regionale Player einen klaren kommerziellen Nachteil, denn nur weil ein „Bergdoktor“ lediglich lokal erfolgreich ist, ist er in der Produktion nicht günstiger.
MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.