Analog war gestern, heute ist alles digital. Dass durch diesen Wandel nicht alles einfacher wird, haben Rolf Ihrig, Geschäftsführer von PROMAX Deutschland, und Ulrich Kiebler, CEO bei DCT DELTA, in den vergangenen Jahren feststellen können. Im Interview mit MediaLABcom sprechen sie über veränderte Kundenanforderungen, Innovationen in der Signalverteilung sowie über die Herausforderungen in der Produktentwicklung – auch wenn es an Chips fehlt.
MediaLABcom: Herr Ihrig, Herr Kiebler, Kabel und Satellit sind zwar laut Digitalisierungsbericht Video mit jeweils 43 Prozent die führenden TV-Empfangswege, aber ihre Anteile werden von Jahr zu Jahr geringer. Macht sich dieser Trend bei Ihnen bemerkbar?
Ulrich Kiebler: Den Trend weg von linearen und hin zu nicht-linearen Fernsehen spüren wir eigentlich nicht, denn unsere Technik ist immer auch Breitbandtechnik. Nun könnte man meinen, dass wir durch diesen Trend weniger Kopfstellen verkaufen würden, dafür aber mehr Produkte für die Netzaufrüstung, um mehr Bandbreite zur Verfügung zu stellen. Aber ganz so einfach ist das nicht, denn selbst die großen Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom betreiben neben ihren TV- immer auch eine Always-Overlay-Plattform für lineares Fernsehen, um die verfügbare Bandbreite für nicht-lineares Video zu nutzen. Ich denke, dass lineares und nicht-lineares Fernsehen auch weiterhin parallel existieren werden.
Rolf Ihrig: Für uns ist es im Prinzip ähnlich. Da wir mit unseren Messgeräten ohnehin auch den IP-Bereich abdecken, macht sich dieser Trend ebenfalls kaum bemerkbar.
MediaLABcom: Am 30. April 2012 wurde die analoge TV-Verbreitung via Satellit abgeschaltet. Im Kabel wurde sie sukzessive beendet. Was war aus Ihrer Sicht für Ihre Unternehmen die wirtschaftlich verträglichere Methode?
Rolf Ihrig: Die längere und kontinuierlichere Abschaltung im Kabel war für uns wirtschaftlich verträglicher. Wenn zu einem konkreten Datum abgeschaltet wird, entsteht schnell eine sehr große Nachfrage. Aber auf einen solchen Peak folgt dann meistens aber eine lange Flaute.
Ulrich Kiebler: Keine produzierende Industrie mag Peaks. Im Kabel lief die Vorbereitung auf die Analog-Abschaltung schon an, bevor sie ein Thema wurde; das heißt, wir haben drei bis vier Jahre vorher schon Produkte geliefert, mit denen die Netzbetreiber die Abschaltung vornehmen konnten. Somit hatten wir mit der eigentlichen Umschaltung von Analog auf Digital nichts mehr zu tun. Man kann Satellit und Kabel allerdings nur schwer miteinander vergleichen. Während man im Kabel Segment für Segment das analoge Fernsehen abschalten konnte, ging es beim Satelliten nur von einem Tag auf den anderen. Eine Alternative zur Abschaltung eines analogen Transponders gibt es nicht.
MediaLABcom: Der Wechsel von Analog- zu Digital-TV, der in Deutschland rund zwei Jahrzehnte andauerte, ist vollständig abgeschlossen. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft?
Ulrich Kiebler: Für uns ist Analog schon lange kein Thema mehr. Die Geschichte ist durch.
Rolf Ihrig: Sicherlich war das ein gutes Geschäft, aber der Wechsel ist längst abgeschlossen. In großen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Seniorenheimen kam es noch vor, dass von digital auf analog geswitcht wurde, weil die Investitionen für die komplette Migration auf Digital-TV zu groß gewesen wären. Aber auch das ist inzwischen passé. Allerdings hat sich unsere Kundenstruktur durch den Analog-Digital-Wechsel nachhaltig verändert.
MediaLABcom: Inwiefern?
Rolf Ihrig: Früher kamen unsere Hauptkunden aus dem Einzelhandel, die unsere Messgeräte über den Großhandel bezogen haben. Als Satellitenfernsehen aufkam, haben Inhaber von Radio/TV-Geschäften vielfach die Antennen dafür aufgebaut. Aus diesem Geschäft hat sich diese Klientel aber inzwischen vollständig zurückgezogen und es den Elektroinstallateuren überlassen. Und selbst die setzen mittlerweile ihren Schwerpunkt zum Beispiel auf die Photovoltaik, sodass einige wenige Fachbetriebe wie unser Service Center Ihrig übrigblieben. Fachbetriebe, die größere Gebäude bauen oder planen und dafür Messtechnik benötigen, zählen auch heute noch zu unseren Kunden.
Ulrich Kiebler: Auch bei uns ist der Anteil an Fach- und Großhändlern geringer geworden. Inzwischen liefern wir seit einigen Jahren direkt an die großen Carrier wie Vodafone oder Liberty Global.
MediaLABcom: Sind denn neue Kunden hinzugekommen?
Ulrich Kiebler: Wir erleben deutlich mehr Nachfrage aus den Reihen der Stadtnetzbetreiber. Die gab es zwar schon immer, aber es kommen nun mehr dazu. Das liegt nicht unbedingt daran, dass die Netztechnik einfacher geworden ist, aber City Carrier müssen kein Vollanbieter mehr sein, sie können sich Dienste und Technik zusammenkaufen und müssen nicht alles selbst machen.
Rolf Ihrig: Messtechnik wird bei PROMAX immer häufiger von Institutionen wie Polizei oder der Bundesnetzagentur nachgefragt. Auch Netzbetreiber wie eine Media Broadcast oder Sendeanstalten benötigen moderne Messtechnik, aktuell vor allem für DAB+, um die Netzabdeckung zu messen. Außerdem steigt die Nachfrage nach optischer Messtechnik.
MediaLABcom: Und wie sehen die Kundenanforderungen aus?
Ulrich Kiebler: Vereinfacht kann man sagen, dass alles nachgefragt wird, was aus der bestehenden Koax-Infrastruktur möglichst viele Bits herausholt. Für die Netzbetreiber hat es einen enormen Charme, wenn ich am Anfang und am Ende des alten Koax-Kabels eine Box hinsetze und damit das Fünf- bis Zehnfache an Bandbreite heraushole. Wir arbeiten täglich mit unseren Kunden an Lösungen, um zum einen mehr Bandbreite zu erhalten und zum anderen den Netzbetrieb zu vereinfachen und nachhaltiger zu gestalten.
MediaLABcom: Welchen Stellenwert nimmt denn der Energieverbrauch ein?
Ulrich Kiebler: Bis vor gut einem Jahr wurde es wohlwollend zur Kenntnis genommen, wenn unsere Technik weniger Strom verbraucht. Heute wird der Energieverbrauch bei Projektausschreibungen mit bewertet. Aber machen wir uns nichts vor: In erster Linie geht es um Bandbreite, Bandbreite und Bandbreite – ganz unabhängig, ob es sich um ein Kupfer- oder ein Glasfasernetz handelt.
MediaLABcom: Die Innovation Digital-TV ist nun keine Innovation mehr. Welche Neuerungen sehen Sie im Bereich der TV-Signalverteilung?
Rolf Ihrig: Die Nachfrage nach Messtechnik für 5G-TV-Übertragungen wird sicherlich in Zukunft zunehmen. Eine steigende Nachfrage erwarten wir zudem aus der Industrie, wenn Long Range Wide Area Networks (LoRaWAN), eingesetzt werden. Darüber hinaus sind wir auch im Bereich Überwachungskameras mit Messtechnik aktiv. Dabei geht es zum Beispiel für die Polizei um die verschlüsselte Datenübertragung von Überwachungskameras.
Ulrich Kiebler: Neben IPTV sehe ich zwei wesentliche Entwicklungen: zum einen die Optik und zum anderen Unicable, also Einkabelsysteme.
MediaLABcom: Wie hat sich denn der Markt für Einkabelsysteme entwickelt? Spiele sie bei Modernisierungen oder in Neubauten überhaupt eine Rolle?
Ulrich Kiebler: Durchaus. Einkabelsysteme waren in der Vergangenheit recht komplex, weswegen sie keinen guten Ruf genießen. Mit Unicable 2 hat das aber ein Ende. Damit wird die Kanalsuche automatisiert, der Endverbraucher muss nicht mehr eingreifen. Es spielt auch keine Rolle mehr, ob das Signalverteilsystem in einer Stern- oder Baumstruktur aufgebaut ist, weshalb ein Unicable-Schalter universell eingesetzt werden kann. Im Altbau wird einfach weiter durchgeschleift und im Neubau mit Sternverkabelung braucht es nur einen Multischalter in der Größe einer Zigarettenpackung, dahinter wird ein Sat-Verteiler geschaltet, mit dem die einzelnen Wohnungen oder Räume verbunden werden – einfach, elegant, klein und günstig. Mit www.unicable-hilfe.de wir zudem herstellerübergreifend Unterstützung bei der Installation solcher Einkabelsysteme.
Rolf Ihrig: Messtechnik für Einkabelsysteme gehören in unseren Geräten schon lange zum Standard. So beherrschen sie auch das Jultec Enhanced Stacking System (Jess), um bis zu 32 Antennendosen zu programmieren. Ich denke, dass Einkabelsysteme weiterhin bei Nachrüstungen in Altbauten eine Rolle spielen werden.
MediaLABcom: Sie nannten bereits einen weiteren Trend: die optische Verteiltechnik. Welche Vorteile bringt sie mit sich?
Ulrich Kiebler: Durch das hohe Split-Verhältnis können sehr viele Teilnehmer angeschlossen werden, auch über große Distanzen, denn die Glasfaser verfügt über eine sehr geringe Dämpfung. Neben GPON kann mit einer einzigen Leitung auch Sat-ZF umgesetzt werden, ohne dass irgendwelche Kanäle konvertiert werden müssen. Hierzu haben wir bei DCT Delta eine neue Produktlinie entwickelt, die modular aufgebaut ist, um verschiedene Dienste wie etwa PON, Sat-ZF mit einer oder mehreren Sat-Positionen oder DVB-C, Terrestrik etc. über eine Infrastruktur zu verbreiten.
Rolf Ihrig: Auch wenn nur noch eine Leitung verlegt werden muss, empfehlen wir bei der Planung immer zwei Leitungen, um die Datenübertragung beim Ausfall einer Leitung weiterhin gewährleisten zu können. Das Zurücklegen größerer Distanzen ist zum Beispiel bei mehrstöckigen Gebäuden mit einer Antenne auf dem Dach und der Verteiltechnik im Keller von Vorteil oder auch bei Anlagen mit Ferienwohnungen, die per Glasfaser an eine Zentrale angebunden sind und darüber mit TV versorgt werden. Dank vorkonfektionierter Kabel können auch solche Handwerker Glasfaser verlegen, die nicht spleißen können.
Ulrich Kiebler: Die optische Technik ermöglicht zudem Self-Install-Produkte wie zum Beispiel unseren optischen Sat-Multischalter, der auf einer Twist-Lösung unseres Kooperationspartners Genexis basiert. Den kann der Endverbraucher ohne technische Vorkenntnisse selbst installieren. Der Schalter befindet sich in einem sehr eleganten Gehäuse, sodass er eben auch in Wohnräumen installiert werden kann, um zum Beispiel den Fernseher oder ein Modem anzuschließen.
MediaLABcom: Ein weiterer Trend: der Wechsel von DVB zu IP. Wie stark werden Verteillösungen auf IP-Basis nachgefragt?
Rolf Ihrig: Speziell Hotels fragen IP-Lösungen wegen ihrer Rückkanalfähigkeit stark nach. Auf diese Weise kann der Gast individuelle Angebote über den Fernseher im Hotelzimmer abrufen. Der Betreiber muss zudem nur eine einzige Infrastruktur managen.
Ulrich Kiebler: Das einfachere Netzwerkmanagement ist ein Grund, warum IP-Lösung vor allem in Neubauten herangezogen werden. In Altbauten haben wir aber immer noch den DVB-C-Standard, weshalb hier die Nachfrage nach Overlay-Lösungen über Glasfaser ansteigt. Das ist einfacher und günstiger als die Koax-Infrastruktur gegen Glasfaser auszutauschen.
MediaLABcom: Wie wirken sich die genannten Innovationen auf Ihr Produktportfolio und Ihr Dienstleistungsangebot aus?
Rolf Ihrig: Unsere Messgeräte verfügen über optische und IP-Schnittstellen sowie über ein Optical-Time-Domain-Reflectometer (OTDR) für die Fehlersuche bei der optischen Datenübertragung. Auf diese Weise reagieren wir auf die Nachfrage, die immer mehr in Richtung IP und Optik geht.
Ulrich Kiebler: Unser Produktportfolio entwickelt sich deutlich in Richtung Digital, Software und Virtualisierung. Darüber hinaus bauen wir unser Dienstleistungsangebot in den Bereich System Engineering und Systemintegration kontinuierlich aus.
MediaLABcom: Inwiefern üben solche Innovationen Druck auf die Kunden aus, die bestehenden Infrastrukturen auf- oder umzurüsten?
Ulrich Kiebler: Ich denke, dass der Druck bei den Wohnungsbaugesellschaften enorm ist. Er wäre noch um einiges höher, wenn wir in Deutschland keinen Wohnungsnotstand hätten. Aber auch ohne ihn setzt die Wohnungswirtschaft vermehrt auf Glasfaser bzw. optische Technik.
MediaLABcom: Stichwort Glasfaser: Wie wirkt sich der Eintritt vieler Privatinvestoren in den Breitbandausbau auf Ihr Geschäft und Ihre mittelständischen Kollegen zum Beispiel unter dem Aspekt der Nachfragemacht aus?
Rolf Ihrig: Neben dem Bereich Messtechnik sind wir auch in der Planung und Installation von TV- und IPTV-Verteilsystemen aktiv. In diesem Bereich profitieren wir durchaus davon, dass viel Geld im Breitbandausbau vorhanden ist. Wenn die Glasfaser bis in den Keller gelegt wurde, kommen wir ins Spiel und sorgen für die Inhouse-Verteilung. Mit unserem Service Center Ihrig sind wir in diesem Bereich Partner vieler regionaler Netzbetreiber.
Ulrich Kiebler: Es ist natürlich positiv, dass Geld da ist, um Glasfasernetze zu bauen. Die Marktmacht bleibt meines Erachtens aber bei denen, die die Netze betreiben. Die Konsolidierung im Kabelmarkt wirkt sich natürlich auch auf Lieferanten wie uns aus. Die Strukturen ähneln nun denen der Automobilindustrie, wo allein schon die schiere Größe eines Unternehmens eine hohe Nachfragemacht mit sich bringt.
MediaLABcom: Spüren Sie den derzeitigen Mangel an Chipsets und Halbleitern oder inwiefern sind Sie von der Coronapandemie betroffen?
Rolf Ihrig: Den Mangel spüren wir schon. Wir produzieren in Spanien und bereits 2020 mussten wir feststellen, dass einige ICs nicht mehr so einfach zu haben waren. Das resultierte dann in längeren Lieferzeiten.
Ulrich Kiebler: Pro Woche benötigen wir bei DCT Delta zwischen zwei und drei Millionen Bauteile. Wenn dann Chips fehlen, wirkt sich das natürlich auf die Produktion aus. Ich denke aber, dass wir die schwierige Situation bislang gut gemeistert haben. Einerseits durch Bevorratung, andererseits auch durch Umdesignen. Hier haben unsere Entwickler ganze Arbeit geleistet, um einen Chip, der am Markt nicht oder nur zu überhöhten Preisen erhältlich war, durch einen anderen zu ersetzen.
MediaLABcom: Sie sind also nicht bereit, die aufgerufenen Preise zu zahlen.
Ulrich Kiebler: Für einen konkreten Chip, der auch in der Automobilindustrie benötigt wird, haben wir früher 0,25 Euro pro Stück gezahlt. Der wurde uns jetzt für 17 Euro pro Stück angeboten. Das machen wir natürlich nicht. Letztendlich haben wir den Chip für einen Stückpreis zwischen 6 und 8 Euro bekommen. Schließlich müssen wir lieferfähig bleiben.
MediaLABcom: Sicherlich haben auch die Kunden diese Kostensteigerungen zu spüren bekommen.
Ulrich Kiebler: Bis zu einem gewissem Grad haben sie Preissteigerungen mitgemacht. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, und ich denke, da spreche ich für die ganze Branche, dass wir nicht alles an Mehrkosten an unsere Kunden weitergegeben haben. Da ist es anderen Branchen sicherlich schlechter ergangen.
MediaLABcom: Was schätzen Sie, wie wird sich der Markt in den kommenden fünf Jahren weiterentwickeln? Welche Innovationen zeichnen sich am Horizont ab?
Rolf Ihrig: Ich denke, dass immer mehr Gebäude mit Glasfaser ausgestattet werden und daher die optische Signalverteilung weiter in den Fokus unseres Geschäfts rücken wird. Die LAN- und WLAN-Hausvernetzung wird sich sicherlich weiterentwickeln – auch mit dem 5G-Standard. Allein schon durch die Coronapandemie ist vielen deutlich vor Augen geführt worden, wie wichtig die Breitbandverfügbarkeit ist. Das merkt man heute schon bei Neubauten, bei denen immer mehr Wert auf LAN-Anschlüsse in allen Räumen gelegt wird. Wenn unsere Branche dann auch wieder Messen in Präsenz veranstalten kann, präsentieren wir sicherlich auch neue Messtechnik, zum Beispiel im Bereich LoRaWAN.
Ulrich Kiebler: Die Telekommunikationsnetze werden weiter vereinheitlicht, die IP-Technik sowie die Glasfaser rückt immer näher an den Endkunden heran. Das ist notwendig, um echtes 5G ausrollen zu können. Bislang wurden meistens nur 4G-Antennen per Software-Update auf 5G umgerüstet. Auf der Softwareseite wird die Virtualisierung in den Netzen weiter voranschreiten, wodurch das Netzwerkmanagement ebenfalls vereinheitlicht wird. Irgendwann spielt es dann für die Technik keine Rolle mehr, ob ein Mobilfunk-, Glasfaser-, Kabel- oder DSL-Kunde angeschlossen wird.
MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.