Richard Krause grüßt gut gelaunt in die Kamera. Der Geschäftsführer des Breitband-Kompetenzzentrums Schleswig-Holstein (BKZ.SH) sitzt in seinem Haus auf der Nordseeinsel Pellworm. Dass die Online-Verbindung für das Interview via Videoschalte einwandfrei funktioniert, dürfte auch sein Verdienst sein. Schleswig-Holstein ist Deutschlands Glasfaser-Bundesland Nummer 1. MediaLABcom sprach mit dem Vater des Erfolgs über kommunalen Zusammenhalt, die Gefahren des Überbaus von Glasfasernetzen und die Rolle großer TK-Konzerne wie Deutsche Telekom und Vodafone.
MediaLABcom: Herr Krause, seit Anfang 2013 leiten Sie das BKZ.SH. Was haben Sie damals gedacht, wo Schleswig-Holstein, wo Deutschland im Breitbandausbau im Jahr 2021 stehen würden?
Richard Krause: Eine gute Frage, die ich rückblickend nicht mit einem Satz beantworten kann. Schleswig-Holstein hat mich damals quasi abgeworben. Das funktionierte nur, weil das Land damals schon ein klares Ziel für den Glasfaserausbau verfolgte. Ich hatte auch keine Lust mehr, den Menschen das Elend der veralteten Kupferdraht-Technologie zu erklären, sondern wollte mich dem Neuen zuwenden.
Damals hatte Schleswig-Holstein als Ziel für eine flächendeckende Glasfaserversorgung bis 2030 angepeilt, also ein jährliches Wachstum an Glasfaseranschlüssen von vier bis fünf Prozent. Diese Prognose war durchaus risikobehaftet. Ich hatte zwar einige konzeptionelle Ideen, um dieses Ziel zu erreichen, aber ob alle Beteiligten, ob zum Beispiel auch die Kommunen alle mitziehen würden, das war damals noch ziemlich offen.
Ich wusste aber, wenn wir hier in Schleswig-Holstein 2013 anfangen, liegen wir weit vor den anderen Bundesländern, die ja tatsächlich erst um 2018 mit dem Breitbandausbau begonnen haben. Ich kann mich damals an eine Sitzung erinnern, auf der ich unser Glasfaserziel vorstellte. Hinter vorgehaltener Hand hat man uns ausgelacht. Keiner glaubte, dass das funktionieren könnte. Inzwischen haben wir sie eines Besseren belehrt. Ich gehe davon aus, dass die anderen Bundesländer diese fünf Jahre Vorsprung nicht einholen werden. Sie werden wahrscheinlich erst nach 2030 eine flächendeckende Glasfaserversorgung erreichen, wohingegen wir in Schleswig-Holstein spätestens 2025 fertig sein werden. Das hätte ich uns damals aber auch nicht zugetraut, muss ich fairerweise sagen.
MediaLABcom: Sie wären aber dennoch sogar fünf Jahre vor Ihrem eigentlichen Zieldatum fertig.
Richard Krause: Wir hatten zwischendurch einen Regierungswechsel und die neue Regierung hat das Glasfaserziel nicht nur beibehalten. Unser Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) ist recht ehrgeizig und rief die weitestgehende Flächendeckung mit Glasfaser für 2025 aus. Er konnte natürlich auf den guten Zahlen aufbauen, die wir bei seinem Amtsantritt bereits erreicht hatten. Daran war schon erkennbar, dass wir schneller als geplant sind. 2013 war das aber absolut nicht absehbar. So war zum Beispiel das 2015 gestartete Bundesförderprogramm ein wahrer Booster für Schleswig-Holstein, durch den die Zweckverbände richtig ins Rollen kamen.
MediaLABcom: Wie viel an Fördergeldern wurde denn bislang in den Breitbandausbau in Schleswig-Holstein investiert?
Richard Krause: Wir haben 300 Millionen Euro an Fördermitteln akquiriert. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist das nicht sehr viel. Dafür haben wir das Geld sehr effektiv eingesetzt. Und es hat dazu geführt, dass Bewegung ins Spiel kam. Wir sind mit fünf Zweckverbänden gestartet und zählen jetzt 23 Verbände, von denen viele die Fördermittel genutzt haben.
MediaLABcom: Bringen Sie uns für Schleswig-Holstein auf den aktuellen Stand. Wie viele Haushalte haben einen Glasfaseranschluss, wie viele nutzen ihn auch?
Richard Krause: Wir hatten im März dieses Jahres einen Ausbaustand von 53 Prozent erreicht. Inzwischen dürfte es etwas mehr sein. Insgesamt haben 38 Prozent der schleswig-holsteinischen Haushalte einen Tarif für ihren Glasfaseranschluss gebucht. Bezogen auf die 53 Prozent ergibt das eine Take-up-Rate von 70 Prozent für ein Bundesland, das überwiegend ländlich strukturiert ist. Das liegt daran, dass wir immer erst gebaut haben, wenn in der Vorvermarktung 60 Prozent der Haushalte einen Vertrag abgeschlossen haben. Damit haben wir sichergestellt, dass in der langjährigen Kooperation zwischen Zweckverband und Netzbetreiber letzterer auch das bezahlen kann, was er bezahlen muss.
MediaLABcom: Nur zur Klarstellung: Das sind reine Glasfaseranschlüsse oder reden wir über Gigabit-Anschlüsse, also zum Beispiel auch Breitband über Kabelnetze?
Richard Krause: Das sind reine FTTB/H-Anschlüsse. Vodafone baut natürlich in Schleswig-Holstein auch das Kabelnetz aus bzw. erhöht die Netzsegmentierung, aber diese Anschlüsse zählen wir nicht mit, weil wir ein reines Glasfaserziel haben. Deshalb dokumentieren wir nur die FTTB/H-Anschlüsse.
Ich bin mir ohnehin sicher, dass Vodafone langfristig Marktanteile verlieren wird, denn auch in unseren Städten wird jetzt FTTB gebaut. Wenn man mit den Menschen spricht, bemerkt man eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Breitbandanschluss über das Kabelnetz. Ich höre häufig, dass sie wechseln würden, sobald ein Glasfaseranbieter eine Alternative offeriert.
MediaLABcom: Liegt der Erfolg Schleswig-Holsteins einfach darin, dass Sie früher angefangen haben? Oder was sind die Erfolgsfaktoren?
Richard Krause: Als ich nach Schleswig-Holstein kam, setzten bereits die ersten Stadtwerke auf Glasfaser – wie etwa in Norderstedt, also wilhelm.tel, die Vereinigten Stadtwerke im Herzogtum Lauenburg oder die Stadtwerke Neumünster. Darauf konnten wir aufsetzen, um weitere Glasfaserprojekte zu starten.
2014 kam der Zweckverband für die Breitbandversorgung im mittleren Schleswig-Holstein – ZBMSH – dazu, ein ganz wichtiger Baustein. Denn damals baute in dieser Region die Telekom das erste VDSL-Netz. Trotzdem ist es dem Zweckverband gelungen, die Menschen von der Glasfaser zu überzeugen. Fortan galt er als Best Practice – nach dem Motto, wenn die das können, können wir das auch.
Darüber hinaus ist der große Kooperationswille auf kommunaler Ebene ein entscheidender Erfolgsfaktor. Hier ist man gewohnt, miteinander zu arbeiten. Vielleicht kennen Sie den Spruch, wer nicht will weichen, muss deichen. Daraus ergibt sich ein Zusammenhalt und eine Anpack-Mentalität, die auch Parteigrenzen überwindet. So ergibt sich eine Einigkeit von der Landesregierung bis hinab in die Dörfer, was das Ausbauziel mit Glasfaser betrifft. Ich denke, das finden Sie in keinem anderen Bundesland.
MediaLABcom: Sie sprachen schon über die Zweckverbände und Stadtwerke. Welche Rolle spielen denn kleine und mittelständische Netzbetreiber und die Deutsche Telekom in der Ausbaustrategie Schleswig-Holsteins?
Richard Krause: Die Telekom saß 2013 mit am Tisch und hätte die Ausschreibung für den Glasfaserausbau im mittleren Schleswig-Holstein gewinnen können. Sie hat sich aber für VDSL entschieden und damit für Jahre aus dem Markt verabschiedet.
Also haben wir in den Ausschreibungen auf die Stadtwerke gesetzt, die bereits aktiv waren oder aktiv werden wollten, sowie auf regionale Netzbetreiber wie die TNG Stadtnetz GmbH oder GVG Glasfaser GmbH, die es zum Teil vorher gar nicht gab und die für sich diesen Markt entdeckt haben. Dazu zählt auch eine Breitbandnetz GmbH, die in Nordfriesland-Nord tätig ist. Ein anderes Beispiel ist PŸUR. Entstanden aus einem Kabelnetzbetreiber baut PŸUR nun im Landkreis Plön erfolgreich Glasfasernetze. Insgesamt sind es 75 regionale TK-Unternehmen, die in Schleswig-Holstein im Glasfaserausbau tätig sind.
MediaLABcom: Die Telekom spielt also gar keine Rolle?
Richard Krause: Die Telekom wachte 2020 auf, als wir in Kiel eine Investorenkonferenz veranstalteten, um den Glasfaserausbau in der Landeshauptstadt voranzutreiben. So kam es, dass die Telekom 70 Prozent von Kiel mit FTTH erschließen wird. Den Rest übernehmen die Global Connect GmbH und die TNG. Dadurch wird Kiel im Jahr 2024 die erste Landeshauptstadt sein, die flächendeckend über Glasfaser verfügt, ohne dass dafür Fördermittel aufgewendet werden.
Ich denke, hier hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Sicherlich war die Weiße-Flecken-Förderung für Schleswig-Holstein wichtig, aber schon die Graue-Flecken-Förderung spielt in unserem Land keine nennenswerte Rolle. Der privatwirtschaftliche Ausbau ist die Zukunft, zu der wir auch eine Vodafone herzlich einladen. Spätestens wenn sie merkt, dass sich der Markt in Richtung FTTB//H bewegt und ihr Kabelnetz überbaut wird, das wir sich ja nicht verhindern lassen, bin ich mir sicher, springt auch eine Vodafone auf den Glasfaserzug auf.
MediaLABcom: Sicherlich gab es auch Dinge im Breitbandausbau, die nicht funktioniert haben. Was zählt zum Beispiel dazu?
Richard Krause: Ein Jahr, nachdem der ZBMSH mit dem Glasfaserausbau gestartet war, kam die Telekom mit ihrem VDSL-Netz dazu. Also mussten wir umdenken und haben auf ein lokales Produkt und lokales Marketing gesetzt. Die Landesregierung hat uns hierbei mit Fördergeldern unterstützt, damit der Zweckverband ein eigenes Produkt entwickeln und vermarkten konnte. Damals haben wir gelernt, wie Vertrieb funktioniert. Diesen lokalen Ansatz empfehlen wir auch allen anderen.
Im Austausch unter den Zweckverbänden ist es dem BKZ.SH aber nicht nur gelungen, Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Die Verbände berichten auch über das, was falsch oder schlecht lief. Es war nicht ganz einfach, eine solche Offenheit zu etablieren, aber wenn die Beteiligten merken, dass für auftretende Probleme Lösungen gefunden werden, steigt das Vertrauen.
MediaLABcom: Stehen Sie auch im Austausch mit denen, die in anderen Bundesländern für den Breitbandausbau zuständig sind? Kommen diese Verantwortlichen auf Sie zu?
Richard Krause: Ja, wir stehen in einem intensiven Austausch. Wobei wir nicht als Besserwisser auftreten und den anderen sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Wir stellen unsere Strategie vor und beantworten auch gerne Fragen, die durchaus ans BKZ.SH gestellt werden.
Ich sagte ja schon, dass ich in Schleswig-Holstein eine einmalige Situation vorgefunden habe. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in der kommunalen Familie war wesentlich für unsere Erfolg. Diese Bereitschaft finden Sie nicht in jedem Bundesland. Dadurch entwickelte sich eine gewisse Eigendynamik. Bürgermeister, in deren Nachbarkommunen Glasfasernetze gebaut wurden, wollten gegenüber ihren Bürgern nicht in Erklärungsnot kommen, warum sie noch kein Highspeed Internet haben. Und da die Kommunen in Schleswig-Holstein gewohnt sind zu kooperieren, wurde der Glasfaserausbau nicht durch Neid oder Missgunst aufgehalten.
MediaLABcom: Der Fachverband für Rundfunk und BreitbandKommunikation (FRK) warnte im vergangenen Monat die Kommunen vor ungeahnten Folgekosten, die das Trenching mit sich bringen könnte. Teilen Sie diese Warnung oder haben die schleswig-holsteinischen Kommunen solche Folgekosten auf dem Schirm?
Richard Krause: Wir als BKZ.SH oder auch das Land kann den Kommunen nicht vorschreiben, wie sie mit ihren Straßen und Bürgersteigen umgehen. Wir haben aber von Anfang an empfohlen darauf zu achten, dass die neue Infrastruktur die vorhandene nicht stört und dass die Kommunen die Folgekosten berücksichtigen. Wir haben also auf Schwierigkeiten, die auftreten könnten, frühzeitig hingewiesen.
Aufgrund dieser etwaigen Probleme haben die meisten Kommunen eine untiefe Verlegung der Glasfaser abgelehnt. Außerdem hatten wir durch die Sacoin GmbH unschöne Erfahrungen mit der untiefen Verlegung gemacht. Das hat in Schleswig-Holstein schnell die Runde gemacht. Deshalb waren solche Verlegemethoden nie ein großes Therma.
In den Städten, in denen jetzt Glasfasernetze gebaut werden, gibt es klare Vorgaben zum Netzbau. Wir haben immer die Planungskosten mit einer Verlegung auf 60 cm Tiefe kalkuliert. Die Vorteile eines günstigeren und schnelleren Rollouts mit untiefer Verlegung wiegen unseres Erachtens die Nachteile, die damit einhergehen, nicht auf.
So haben wir auch immer darauf gedrängt, nachhaltig und nach dem Materialkonzept des Bundes zu bauen, auch wenn uns andere aufgrund der Vorgaben für Open Access oder die Lehrrohrverlegung für verrückt erklärt haben. Wir wissen nun aber, wo die Leitungen herlaufen und müssen die Wege nicht noch einmal aufgraben.
MediaLABcom: Ein Breitbandanschluss und die damit einhergehende Digitalisierung sind Voraussetzungen dafür, dass Unternehmen ihre Standorte nicht aufgeben, dass Familien nicht den Arbeitsplätzen hinterherreisen müssen und das eine gesellschaftliche Teilhabe auch auf dem Land möglich ist. Inwiefern können Sie feststellen, dass der Breitbandausbau in Schleswig-Holstein diese Entwicklungen begünstigt?
Richard Krause: Die Fläche wäre schon längst ausgeblutet, wenn wir dort nicht mit Glasfaser ausgebaut hätten. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie ist das wichtig. Ich sitze zum Beispiel auf Pellworm und kann von zu Hause aus arbeiten. Und so ergeht es vielen in der Pandemie. Es gibt Menschen aus ganz Deutschland, die auf der Insel Häuser haben und die von hier aus arbeiten. Meine Söhne können ihr Studium von Pellworm aus weiterführen.
Die Kommunen sind froh, dass junge Familien wieder aufs Land ziehen. Die Baugebiete sind voll. Hier schlummert ein riesiges Potenzial für Schleswig-Holstein, denn wir haben noch relativ günstiges Bauland, günstige Energie für Unternehmen und obendrein Glasfaser. Aus meiner Sicht müsste das Land diese Vorteile aktiver vermarkten.
MediaLABcom: Seit Februar 2020 gibt es das Kooperationsprojekt „Digitale Patin“. Was steckt dahinter und wie wird das Projekt angenommen?
Richard Krause: Als ich meinen Schwiegereltern den Internetzugang erklären wollte, verstanden sie nur Bahnhof. Mit meinem Fachwissen bin ich ganz anders an die Sache herangegangen als etwa mein jüngster Sohn. Der erklärte meinen Schwiegereltern mit ganz anderen Worten, wie alles funktioniert und sie haben es verstanden. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand die Idee zum Projekt „Digitale Patin“.
Hier spielte auch wieder die Politik mit hinein. Unser damaliger Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) empfahl den Landfrauen auf einem Bauerntag, sich digital aufzustellen, um ein zweites Standbein zu haben, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse immer billiger werden. Das haben die Landfrauen gemacht, auch mit dem Projekt „Digitale Patin“. Wir haben die Hardware gekauft und die Landfrauen haben in ihren Orten digitale Patinnen ausgebildet, um den Bürgern die Vorbehalte vorm Internet zu nehmen.
Letztendlich zahlt sich das für die Take-up-Rate aus, denn durch den Einsatz der digitalen Patinnen kommt auch schon mal der 80-jährige Digitalverweigerer dazu, einen Glasfasertarif zu bestellen. Wenn es Probleme gibt, haben die Nutzer mit der digitalen Patin immer jemanden, den sie kennen und den sie fragen können.
MediaLABcom: Derzeit wird die hohe Dynamik im Glasfaserausbau betont. Davon sprach allerdings auch schon Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Was braucht es Ihrer Meinung nach neben einer hohen Ausbaudynamik noch, damit möglichst schnell flächendeckend Glasfaser zur Verfügung steht?
Richard Krause: Für uns in Schleswig-Holstein kann ich sagen, dass die Dynamik zu spüren ist und dass sie funktioniert. Bis Jahresende wird der Ausbaustand im hohen 50-Prozent-Bereich sein, sodass ich davon ausgehe, dass wir die anvisierten 62 Prozent für 2023 sogar überschreiten werden. Das ist zum einen der konsequenten Umsetzung des Bundesförderprogramms geschuldet und zum anderen dem Umstand, dass wir genügend Tiefbaukapazitäten haben. Viele Firmen aus den skandinavischen Ländern kommen nach Schleswig-Holstein und verlegen Glasfaser.
Bundesweit gesehen brauchen wir aber sicherlich mehr Tiefbauunternehmen mit dem entsprechenden Fachwissen und vor allem mehr - ich sage mal etwas frech – auch bessere Planer. Ein guter Ingenieur ist nicht per se ein guter Planer.
Letztendlich muss aber auch die Bereitschaft des Endverbrauchers da sein, einen Glasfaseranschluss zu buchen. Ist die nicht vorhanden, zögern auch die Unternehmen mit dem Netzausbau, wobei die Finanzierung derzeit nicht das Problem ist. Geld ist zur Genüge im Markt. Es fehlt aber manchmal am Willen und am Mut, Glasfaser auszurollen. Dabei müssen die Unternehmen die Verbraucher von den Vorteilen der Glasfaser überzeugen.
MediaLABcom: Apropos Überzeugung: Müsste man den Menschen, die sich jetzt gegen einen Glasfaseranschluss entscheiden, nicht stärker verdeutlichen, dass in ihrem Ort in den nächsten Jahren kein weiteres Unternehmen Glasfaser ausbauen wird, wenn sich bereits ein anderer die Rosinen herausgepickt hat? Dass sie eventuell die Anschlusskosten von mehreren hundert Euro selbst zahlen müssen, die jetzt noch von vielen ausbauenden Unternehmen übernommen werden?
Richard Krause: Diese Thematik hat sich in Schleswig-Holstein nie ergeben, weil wir immer den Vollausbau angestrebt haben. Natürlich wäre ein Glasfaserausbau auch mit einer Anschlussquote von 30 oder 40 Prozent der Haushalte in einer Kommune wirtschaftlich gewesen, aber wir haben die Gemeinden frühzeitig darauf hingewiesen, dass man anschließend noch 60 bis 70 Prozent ausbauen muss. Die machen einen dann das Leben schwer, denn keiner weiß, wann ausgebaut werden kann und wie teuer das wird. Wahrscheinlich wird es nicht ohne den Einsatz von Steuergeldern gehen. Das haben die Bürgermeister verstanden und stattdessen auf den flächendeckenden Glasfaserausbau gesetzt.
Ich bin mir auch sicher, dass es dort Probleme geben wird, wo nicht flächendeckend Glasfaser ausgebaut wird, denn dann geht es in Zukunft nur noch – ich sage es ganz gewusst – um Resterampen. Um diese Gebiete zu erschließen, müsste man die bereits angeschlossenen Stadtteile entweder aufkaufen oder überbauen, damit sich das überhaupt wirtschaftlich lohnt.
Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass ein Unternehmen, das in einem Ort, dessen Mitte ausgebaut ist, die Außenbereiche erschließen will, nicht vor der Mitte Halt machen wird. Entweder derjenige, der die 40 ersten Prozent erschlossen hat, macht im Zuge eines Open-Access-Modells mit oder er wird überbaut. Das wird passieren. Den Überbau können Sie nur verhindern, wenn die Glasfaser von Anfang an flächendeckend verlegt wird.
MediaLABcom: Ist die oft zitierte Dynamik nicht eine Mogelpackung, wenn die Glasfaser nur bis ans Grundstück reicht? Dadurch steigt zwar die Zahl der „Homes Passed“, was insbesondere für Netzbetreiber mit Investoren im Hintergrund wichtig ist, aber für den Hausanschluss muss erneut gegraben und investiert werden.
Richard Krause: Da gebe ich Ihnen recht. Es ist allerdings auch eine schwere Arbeit, die Haushalte in ausreichender Zahl davon zu überzeugen, sich für einen Glasfaseranschluss zu entscheiden. Dafür benötigen sie Menschen, die sich dieser Sache vollkommen verschreiben. Sie benötigen die Multiplikatoren vor Ort, das heißt, sie müssen den hiesigen Fußballverein, die DLRG-Ortsgruppe oder wen auch immer auf Ihre Seite ziehen. Mit ein paar Flyern oder gar mit Drückerkolonnen gewinnen sie keinen einzigen Haushalt.
MediaLABcom: Wann werden wir in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser bis ans Haus erreicht haben?
Richard Krause: Ich schätze, dass es zwischen 2033 und 2035 so weit sein wird. Man kann davon ausgehen, dass man für ein Bundesland rund 15 Jahre benötigt, um es flächendeckend mit Glasfaser auszubauen. Die Voraussetzungen sind von Land zu Land natürlich sehr unterschiedlich. Ich denke, die Bayern könnten wegen der großen finanziellen Unterstützung durch die Landesregierung eher fertig werden. Dagegen dürfte der Ausbau in NRW wegen der vielen Städte und Mietswohnungen schwierig werden. Da könnte die Vonovia unterstützen, wenn sie ihre Ankündigung umsetzt, selbst Glasfasernetze bauen zu wollen.
MediaLABcom: Dann könnten Sie ja nach 2023 oder 2025, wenn Sie in Schleswig-Holstein fertig sind, noch einmal für rund zehn Jahre ein anderes Breitbandkompetenzzentrum leiten.
Richard Krause: Es wird sicherlich Veränderungen geben, aber ein anderes BKZ werde ich nach diesem hier in Schleswig-Holstein nicht mehr leiten. Das wäre dann einfach zu spät. Und der Job soll ja auch Spaß machen. Da will ich mich nicht nur mit Resterampen beschäftigen müssen. Aber ich bringe meinen Job in Schleswig-Holstein erst einmal zu Ende und dann sehen wir weiter.
MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.