In den vergangenen Wochen wurden mit dem Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) und der Graue-Flecken-Förderung zwei Meilensteine für den weiteren Breitbandausbau in Deutschland auf den Weg gebracht. Kommt nun der erhoffte Schub für die Digitalisierung? Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), ist sich da nicht so sicher und stellt an die Politik weitere Forderungen. Im Interview erklärt er auch, was nun auf kleine und mittelständische Netzbetreiber zukommt.
MediaLABcom: Herr Grützner, sehen Sie anlässlich des TKMoG und der Grauen-Flecken-Förderung nun frohen Mutes in die digitale Zukunft unseres Landes?
Jürgen Grützner: Wir schauen auf jeden Fall optimistisch in die Zukunft. Zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes und der Grauen-Flecken-Förderung muss man sagen: Sie bilden zwar den Rahmen für die zukünftige Gestaltung, allerdings mit vielen Unklarheiten und es reicht definitiv nicht aus für den erhofften Booster beim Glasfaserausbau. Da muss die Politik nachlegen.
Besonders wichtig ist der Vorrang für eigenwirtschaftlichen Ausbau. Überzogener Daten- und Verbraucherschutz, der den Kundinnen und Kunden gar keinen Vorteil bringt, darf das Ausbaugeschehen hierzulande nicht blockieren. Natürlich brauchen wir ein neues Digitalministerium, aber auch ein ausgewogen agierendes Justizministerium, das nicht einseitig Interessen des Verbraucherschutzes behandelt.
Wir müssen jetzt den richtigen Rahmen für einen klugen Migrationsprozess von Kupfer zu Glasfaser schaffen. Das wettbewerbsfreundliche Umfeld muss auch in der neuen Welt bestehen bleiben, damit Industrie und Mittelstand sich auch zukünftig im Glasfasernetz für die beste Qualität und den besten Anbieter entscheiden können. Das ist essenziell für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
MediaLABcom: Die Novelle des TKG, mit dem die Vorgaben aus Brüssel umgesetzt werden, ist schon zwei Jahre überfällig. Ist das Thema so komplex oder woran lag es, dass die Novelle so lange auf sich warten ließ?
Jürgen Grützner: Schauen Sie sich das Ergebnis an: mehr als 400 Seiten. Ja, die TKG-Novelle war durchaus komplex, die Umsetzung der europäischen Vorgaben durch den neuen Kodex sehr aufwendig. Allerdings ist Deutschland an etlichen Stellen unnötig über die EU-Vorgaben hinausgegangen, zum Beispiel bei Verbraucherschutzregelungen und im Bereich Universaldienst/Recht auf schnelles Internet. Und sicherlich gibt der Ablauf an einigen Stellen Anlass zu Kritik.
Es gab nur recht wenig Möglichkeiten zum Austausch mit den Ministerien, die Wirtschaft wurde kaum angehört. So konnten wichtige Erfahrungen aus der Praxis nicht aufgenommen werden. Aber auch die Parlamentarier hatten nach der Erarbeitung durch die Ministerien nicht viel Zeit. Sie mussten nach langwierigen Diskussionen zwischen den Bundesministerien in kurzer Zeit ein zu Beginn ungares Gesetz bearbeiten und verabschieden.
MediaLABcom: Zum Schluss ging es aber ziemlich flott. Anfang Dezember hatten Sie gerade einmal 24 Stunden Zeit, um sich als Verband zum vorgelegten Entwurf zu äußern. Und jetzt soll das TKMoG schon am 1. Dezember 2021 in Kraft treten. Das klingt nach dem Highspeed, den eigentlich die Haushalte über Glasfaser bekommen sollen.
Jürgen Grützner: Richtig ist: Die Anhörungs- und Beteiligungsrechte der Verbände kamen deutlich zu kurz. Binnen kürzester Zeit mussten wir Stellungnahmen zu unterschiedlichen Fassungen mit immer neuen Regelungen und „Lösungen“ der – wie gesagt – sehr umfangreichen Novelle abgeben.
Der politische Wille, den Gigabit-Ausbau schnell voranzutreiben, existiert fraglos. Dieses Ziel teilen auch die ausbauenden Unternehmen. Dennoch sind die Baukapazitäten und auch das Fachkräftepotenzial begrenzt. Mittlerweile dürfte wirklich allen klar sein, dass das 2025er-Ziel nicht erreichbar ist. Auch die Förderrichtlinie und die TKG-Novelle helfen hier nicht deutlich weiter, da die Wirksamkeit aller politischen Maßnahmen davon abhängt, ob überhaupt die richtigen Ziele verfolgt werden.
MediaLABcom: Immerhin erhalten die Bürger nun ein Recht auf schnelles Internet. Kann ich also die Bundesregierung verklagen, wenn ich ab dem 1. Dezember 2021 immer noch keinen Glasfaseranschluss habe?
Jürgen Grützner: Nein, das wird man ganz sicher nicht können. Allein ein Rechtsanspruch auf schnelles Internet erhöht weder die Baukapazitäten noch die Zahl der Fachkräfte. Das Recht auf schnelles Internet stellt keinen Anspruch auf eine Glasfaserversorgung dar. Es lehnt sich stark am Universaldienst an und soll den Bürgerinnen und Bürgern helfen, gerade möglichst kurzfristig Bandbreiten zu erhalten, die eine problemlose Versorgung mit den üblichen Homeoffice-, Homeschooling-etc.-Lösungen ermöglichen.
Es macht also keinen Sinn, auf die Bagger zu warten, weil kein Rechtsanspruch die Bagger oder die Genehmigungsverfahren individuell schneller macht. Daher brauchen wir hier entweder Mobilfunk- oder in vielen Fällen besonders schnell realisierbare Satellitenlösungen. Recht auf schnelles Internet bedeutet also ehrlich gesagt und auf den Punkt gebracht: Dort, wo Kupfer die nötige Bandbreite nicht mehr hergibt und der Gasfaserausbau oder HFC – noch – nicht zeitnah zur Verfügung gestellt werden kann, muss der Staat den Bürgern gleichwohl eine gute andere Lösung bereitstellen. Und wenn Glasfaseranschlüsse in relativ gut versorgten Gebieten mit vielen tausend, ja zehntausenden Euro gefördert werden können, dann muss endlich für die am meisten betroffenen Bürgerinnen und Bürger wenigstens ein 500-Euro-Satelliten-Voucher als Ausgleich bereitgestellt werden. Daher muss es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Voucher-Lösung kommen.
MediaLABcom: Die Gleichbehandlung von Wettbewerbern soll durch das Equivalence-of-Input-Konzept gesichert werden. Was versprechen Sie sich davon?
Jürgen Grützner: Diese Gleichwertigkeit des Zugangs – EoI – ist ein mit der TKG-Novelle in § 24 eingeführter Regulierungsansatz. Er stellt sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager von Glasfaseranschlüssen Planungssicherheit und hohe Qualität auf den Netzen für alle Kunden sichert. Anders als bisher werden bei EoI die Vorleistungen nachfragenden Wettbewerbern dann mit den gleichen Systemen und Prozessen sowie zu den gleichen Preisen bereitgestellt wie die Leistungen für den eigenen Endkundenvertrieb des regulierten Unternehmens. Das ist sehr wichtig für einen funktionierenden Wettbewerb zugunsten der Kunden.
Bisher existieren für Kupferanschlüsse für die Wettbewerber noch eigene Prozesse, etwa für Informationen zur Verfügbarkeit, Beauftragung, Bereitstellung und für Störungen, die im Vergleich zu dem regulierten Unternehmen zusätzliche Zeit und Verfahrensschritte beinhalten. Künftig wäre so die Gefahr von Benachteiligungen in der Praxis deutlich geringer und aufwendige Diskriminierungskontrollen der BNetzA können weitgehend vermieden werden. Zudem werden die Prozesse effizienter, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.
MediaLABcom: Aus der Umlagefähigkeit der Kabelanschlusskosten wird ein Glasfaserbereitstellungsentgelt, das den Glasfaserausbau von Inhouse-Netzen vorantreiben soll. Was halten Sie von der neuen Regelung?
Jürgen Grützner: Erstens ist die Regelung komplex. Zweitens beinhaltet sie einen kostenlosen Open-Access-Anspruch. Zudem ist die Umlagefähigkeit in Höhe und Zeit begrenzt, so dass man insgesamt abwarten muss, ob die so ausgestaltete Umlagefähigkeit die von der Politik erhoffte Wirkung haben kann.
MediaLABcom: Der Bürokratieabbau durch schlankere Genehmigungsprozesse ist ein Ziel des TKMoG. Wird es mit diesem Gesetz Ihrer Meinung nach erreicht?
Jürgen Grützner: Es gibt einige gute Ansätze. Allerdings herrscht noch viel Luft nach oben. Die Digitalisierung von Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie die Standardisierung der beizubringenden Unterlagen muss für Festnetz- und Mobilfunkausbau gleichermaßen beschleunigt werden und dabei die modernen Verlegeverfahren widerspiegeln.
Die im TKG dafür vorgesehene koordinierende Stelle auf kommunaler oder Landkreisebene kann bei entsprechender Umsetzung sehr gut unterstützen. Wo notwendig, müssen wir Gesetze und Verordnungen anpassen. Alle positiven Erfahrungen müssen wir zusammentragen und in einer Bund-Länder- Kommission schnell umsetzen, insbesondere was Bau- und Wegerechte anbelangt. Hier sind bislang die Anstrengungen absolut unzureichend und müssen politisch deutlich vorangetrieben werden. Der Infrastruktur-Beirat des BMVI muss um Vertreter der TK-Wirtschaft ergänzt werden. Da sich Baukapazitäten und Fachkräfte nicht beliebig vermehren lassen, müssen wir zwingend alle Möglichkeiten nutzen, mit den möglichen Ressourcen schneller zu bauen.
Die Landesbauordnungen sind in vielen Ländern noch anzupassen. Dies betrifft zum Beispiel die Erweiterung der Genehmigungsfreiheit von Mobilfunkmasten von zehn auf 15 Meter im Innenbereich.
MediaLABcom: Gleichzeitig wird für sogenannte „graue Flecken“ ein neues Förderprogramm aufgelegt. Also doch wieder mehr Bürokratie für ausbauwillige Gebietskörperschaften und Unternehmen?
Jürgen Grützner: Das Graue-Flecken-Förderprogramm erhebt den Anspruch, weniger bürokratisch zu sein als bisherige Programme. Inwiefern dies der Fall ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Fakt ist: Der geförderte Ausbau dauert unter anderem deshalb deutlich länger als der eigenwirtschaftliche, weil dabei Förderverfahren und Genehmigungsprozesse noch aufwendiger und langwieriger sind.
Auch fehlt es den zuständigen Behörden generell bei den Genehmigungsprozessen an ausreichendem Personal. Es sind zu viele Einzelstellen, die involviert werden müssen – nicht nur das Bauamt, sondern zum Beispiel häufig auch die untere Naturschutzbehörde, Wasserschutzbehörde, Denkmalschutz. Hier ist es unbedingt notwendig, die Genehmigungsprozesse im Sinne eines One-Stop-Shoppings zu bündeln. Erste Ansätze finden sich im neuen TKG – diese sollten nun von den Ländern auch beherzt aufgegriffen und umgesetzt werden.
MediaLABcom: Ihnen fehlt in der Graue-Flecken-Förderung eine Priorisierung der weißen Flecken. Welche Konsequenzen befürchten Sie deshalb?
Jürgen Grützner: Ohne ausreichende Priorisierung werden in Ländern und Landkreisen weniger Bürger von Gigabit profitieren, weniger Bürger Digitalisierung nutzen können und die Ausbauziele der Bundesregierung bis 2025 deutlich verfehlt werden.
Es ist doch ganz einfach: Weder ein Rechtsanspruch auf schnelles Internet noch die neue Förderrichtlinie können die begrenzten Baukapazitäten erhöhen. Aufgrund der fehlenden Priorisierung ist nun ein völlig unkoordinierter Run auf die Fördermittel zu befürchten. Sinnvoll wäre es aber, zunächst dort auszubauen, wo möglichst viele Haushalte möglichst effizient angeschlossen werden können und nicht die knappen Baukapazitäten dort zu binden, wo mit hohem Aufwand nur wenige abgelegene Orte angeschlossen werden können. Zudem muss im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dort zuerst gebaut werden, wo Bedarf am höchsten ist. Auch hieran fehlt es völlig.
MediaLABcom: Auch die Regelung zu schwer erschließbaren Einzellagen findet Ihr Missfallen. Was versteckt sich hinter der Regelung und was gefällt Ihnen daran nicht?
Jürgen Grützner: Mit der Regelung mit bis zu 400 Trassenmeter vom letzten Anschlusspunkt aus sogenannte „schwer erschließbaren Einzellagen“ anzubinden, geht die Förderrichtlinie an die Grenzen des Machbaren. Die Gesamtregelung ist extrem kompliziert und wird in der Praxis nicht leicht umzusetzen sein. Mit der Intention, schon im ersten Ausbauschritt auch weit entlegene Einzelhaushalte direkt mit Glasfaser anzuschließen, wird der Gesamtausbau deutlich verzögert. Gerade hier wäre schnelle übergangsweise Hilfe – durch Funk- und Satellitenlösungen ganz besonders wichtig für die Bürgerinnen und Bürger gewesen. Wenn, sollte auf jeden Fall im Zusammenhang mit anderen Gebieten gefördert werden und nicht völlig isoliert.
MediaLABcom: Was ist aus Ihrer Sicht an der Graue-Flecken-Förderung gelungen?
Jürgen Grützner: Grundsätzlich kann man sagen: Eine Graue-Flecken-Förderung aufzusetzen, war gut gemeint und ist grundsätzlich zu begrüßen. Leider bedeutet gut gemeint nicht auch gut gemacht. Positiv ist, dass das BMVI auf Druck der EU-Kommission mangels sinnvoller Priorisierungen eine Aufgreifschwelle bei 100 Mbit/s einbauen musste. Außerdem ist es aus unserer Sicht sinnvoll, dass die Graue-Flecken-Förderung ein Minimum an Investitionsschutz für einen gerade erfolgten NGA-Ausbau bietet.
MediaLABcom: Im VATM sind viele kleine und mittelständische Netzbetreiber organisiert. Welche speziellen Auswirkungen der neuen Förderung erwarten Sie für diese Mitglieder?
Jürgen Grützner: Für die Unternehmen herrscht ein hoher Druck, sich an Markterkundungsverfahren zu beteiligen. Markterkundungen treffen aber keine klare Aussage darüber, ob ein eigenwirtschaftlicher Ausbau wirtschaftlich machbar ist, sondern auch und vor allem nicht darüber, ob gerade Baukapazitäten vorhanden sind. Allein das geplante, aber sehr eingeschränkte Abwehrrecht der von potenzieller Förderung betroffenen Unternehmen im Rahmen des Markterkundungsverfahrens führt nicht zu einer ausreichenden Strukturierung. Das Konzept bedeutet einen unübersehbaren Bürokratie- und Ressourcenaufwand für alle eigenwirtschaftlich ausbauenden Unternehmen. Es zwingt ausbauende Unternehmen, sich in unzähligen Markterkundungsverfahren aktiv zu beteiligen und sich durch Anmeldung eines eigenwirtschaftlichen Ausbaus gegen eine nicht erforderliche Förderung „zur Wehr zu setzen“.
MediaLABcom: Worauf müssen sich Ihre Mitglieder hinsichtlich des TKMoG einstellen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne?
Jürgen Grützner: Der viel zu lange Kampf der Ressorts um Verbraucherschutzregelungen und erweiterte Überwachungsmöglichkeiten hat in letzter Minute zu einem Kompromiss geführt, der politisch akzeptabel erscheinen mag, aber kaum den gewünschten Schub für innovative neue Dienste und Infrastrukturausbau bringt. Wir hätten uns gewünscht, dass das Gesetz mehr modernisiert und nicht stattdessen zusätzliche Belastungen für die Unternehmen bringt.
Wie begrüßen die erkennbaren Bemühungen, die Genehmigungsbürokratie in den Griff zu bekommen und lange Verfahrenslaufzeiten zu beschleunigen. Nun wird es aber meist bei den Ländern und Kommunen liegen, ob diese Erleichterungen wirklich greifen. Gleiches gilt für die Stärkung moderner Verlegetechnologien oder die One-Stop-Shop-Regeln. Positiv ist, dass durch das eben beschriebene EoI ein stärkeres Gewicht auf die unbedingte Gleichbehandlung der Wettbewerber durch die Deutsche Telekom gelegt werden soll, damit von allen Unternehmen gegenüber allen Kunden ein gleich guter Service erbracht werden kann.
Die neuen Regelungen zum Glasfaserausbau und dessen Finanzierung durch ein Glasfaserbereitstellungsentgelt sind zum Teil sehr komplex. Daneben enthält das Gesetz viele neue Verbraucherschutzvorgaben mit hoher Komplexität und Detailtiefe, was nicht nur für deutlich mehr Bürokratie sorgt, sondern oft nicht einmal im Sinne der Kunden ist. So führt zum Beispiel die Angabe aller ladungsfähigen Anschriften der genutzten Telefondienste zu seitenlangen Telefonrechnungen, anstatt hier auf moderne digitale Lösungen zurückzugreifen. Zusätzliche Verschärfungen etwa bei Haftungsregelungen und Kündigungsrechten wie auch überzogene Versorgungsauflagen belasten die Unternehmen ebenfalls. Positiv hingegen sind auch zum Beispiel der Erhalt der Wahlmöglichkeit der Vertragslaufzeit für die Kunden und ganz gute Regelungen im Bereich Wegerechte zu bewerten.
MediaLABcom: Neben der atene KOM als Projektbüro des Bundes existiert auch das von PwC geleitete Gigabitbüro des Bundes als Projektträger. Deutschland wird in zwei Teile aufgeteilt. Kennen Sie die Gründe, warum es zwei Anlaufstellen gibt?
Jürgen Grützner: Unserer Kenntnis nach begründet das BMVI diese Zweiteilung mit dem hohen Aufwand, der mit der Betreuung der Graue-Flecken-Förderung verbunden ist. Wirklich plausible Gründe sind uns allerdings nicht bekannt.
MediaLABcom: Was bedeutet das für ausbauende Unternehmen und Gebietskörperschaften? Halten Sie zwei Anlaufstellen für sinnvoller als eine?
Jürgen Grützner: Diese Entscheidung, die Arbeit auf zwei selbstständige Projektträger bundeslandweise aufzuteilen, wird aus unserer Sicht zusätzlichen Abstimmungsbedarf und Bürokratieaufwand bedeuten. Für die Ausschreibung und Begleitung der Förderprojekte entsteht ein bundesweiter Flickenteppich der Zuständigkeiten. Ein abgestimmtes Vorgehen und einheitliche Prozesse für die Unternehmen sind für einen effizienten Gigabit-Ausbau unerlässlich. Die Teilung hat das Potenzial, das Förderprogramm zu verkomplizieren – zum Beispiel für überregional ausbauende Unternehmen. Hier muss sichergestellt werden, dass beide Projektträger mit exakt denselben Leitlinien und vor allem den gleichen Antragsprozessen arbeiten. Man muss jetzt schauen, wie es mit den Informationen und dem Zusammenspiel in der Praxis läuft.
MediaLABcom: Im Rahmen des Digitalgipfels 2020 wurde der Voucher als Anreiz für einen beschleunigten Glasfaserausbau abgelehnt. Jetzt soll es einen Voucher für Haushalte geben, die sich für Internet via Satellit entscheiden. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Jürgen Grützner: Wir halten nach wie vor auch einen Glasfaser-Voucher für absolut sinnvoll, um die Nachfrage zu stimulieren. Der VATM hatte dies mehrfach mit konkreten Vorschlägen unterstrichen. Die Bundesregierung hält ein Nebeneinander von Infrastruktur- und Nachfrageförderung nicht für sinnvoll. Der Satelliten-Voucher bzw. „Digitalisierungszuschuss“, wie er genannt wird, ist aus unserer Sicht ein richtiges Instrument, um schnell und unkomplizierte Übergangslösungen für jene Haushalte zu schaffen, die realistisch nicht innerhalb der nächsten Zeit an das Gigabit-Netz angeschlossen werden können.
Wir sprechen hier von etwa 200.000 Haushalten, die davon betroffen sind. Diese am meisten benachteiligten Bürgerinnen und Bürger darf die Politik nicht hängen lassen, zumal es nicht um Zehntausende Euro Förderung, sondern um eine vergleichsweise minimale Fördersumme handelt. Zudem steigt die Leistungsfähigkeit von Satellitenanschlüssen rapide und kann zumindest die Lücke bis zu einem späteren Glasfaserausbau schließen.
MediaLABcom: Eine Frage zum Abschluss: Würden Sie sich rückblickend auf zwölf Jahre CSU-Führung ab September 2021 eine Abwechslung im Verkehrsministerium wünschen?
Jürgen Grützner: Wir setzen uns stark für ein Digitalministerium mit Unterbau ein. Dies muss in der nächsten Regierung auf jeden Fall eingerichtet werden. Das heißt, es muss der Ressortzuschnitt in der neuen Legislaturperiode abgewartet werden. Wir machen die Qualität eines Ministers oder einer Ministerin nicht von der Parteizugehörigkeit abhängig, sondern von seiner/ihrer Kompetenz und den Entscheidungen über die richtigen Ziele und richtigen Wege dorthin.
MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.