Bereits jetzt ist klar, dass die Geburt des neuen Telekommunikationsgesetzes (TKG) eine schwere wird. Bundeswirtschafts- und -finanzministerium sind sich in einigen Punkten uneins. Einer davon ist die Abschaffung der Umlagefähigkeit der Kabelanschlussgebühren über die Betriebskosten. In jüngster Zeit haben sich mehrere Verbände und Institutionen für deren Beibehaltung ausgesprochen. Auch Uwe Rehnig, Vorstandsmitglied des Fachverbands Rundfunk und BreitbandKommunikation (FRK) sowie Geschäftsführer der Rehnig BAK Fernsehen, möchte die Umlagefähgkeit beibehalten. Er könnte sich aber eine Änderung vorstellen.
MediaLABcom: Herr Rehnig, im Rahmen der TKG-Novelle soll die Umlagefähigkeit der Kosten für den Kabelanschluss aus der Betriebskostenverordnung gestrichen werden. Um welche Kosten geht es hier konkret?
Uwe Rehnig: Laut § 2 BetrKV handelt es sich bei den Betriebskosten um die Kosten für Strom, für die regelmäßige Prüfung der Betriebsbereitschaft der Gemeinschaftsantennenanlage durch eine Fachkraft oder das Nutzungsentgelt für eine Antennenanlage, die nicht zum Gebäude gehört. Hinzu kommen noch die Gebühren, die nach dem Urheberrecht für die Kabelweitersendung anfallen. Zu den Betriebskosten für eine mit einem Breitbandnetz verbundene Verteilanlage zählen neben den genannten Positionen zusätzlich die laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse.
MediaLABcom: Welche Auswirkungen befürchten Sie für den Mieter, würde die Umlagefähigkeit abgeschafft?
Uwe Rehnig: Einzelne Experten sprechen von Mehrkosten für die einzelnen Mieter von bis zu 200 Euro pro Jahr. Insbesondere verdient die Tatsache Beachtung, dass nach heutigem Rechtsstand der Sozialhilfeträger für wohngeldberechtigte Haushalte die Kosten des TV-Anschlusses als Teil der Mietnebenkosten übernimmt. Bei einer Abschaffung der Umlagefähigkeit müssten diese Mieter den TV-Anschluss künftig aus dem Regelsatz bezahlen. Es träfe also wieder mal die sozial Schwächsten.
MediaLABcom: Und welche Folgen hätte die Streichung für Kabelnetzbetreiber?
Uwe Rehnig: Mehrnutzerverträge mit Hauseigentümern schaffen für ausbauende Netzbetreiber Kalkulationssicherheit und dienen gegenüber Banken als Sicherungsinstrument für Finanzierungskredite. Das brauchen vor allem kleine und mittelständische Netzbetreiber. So können schnelle Netze in den Häusern mittels Glasfaser zukunftssicher aufgerüstet werden. Das ist nicht zuletzt eine wichtige Voraussetzung für innovative Anwendungen im Wohnen der Zukunft – Stichwort Smart Home.
Dabei ist zu beachten, dass die Umlagefähigkeit technologieneutral ist. Sie unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Technologien – umlagefähig sind die Betriebskosten von Breitbandnetzen. Die Betreiber solcher Netze stehen im Wettbewerb bei der Versorgung der Gebäude; das führt zu den günstigsten Konditionen für Hauseigentümer und letztlich auch Mieter.
Perspektivisch wird auch der Aufbau von Glasfasernetzen auf Grund unsichererer Refinanzierungsmöglichkeiten in den Gebäuden eingeschränkt und verlangsamt werden.
MediaLABcom: Die Befürworter der Streichung argumentieren, dass die Umlagefähigkeit für den Kabelnetzbetreiber vorteilhaft sei, weil ein Mieter, der bereits für den Kabelanschluss über die Nebenkosten bezahle, weniger gewillt ist, ein TV- oder Breitbandprodukt der Anbieter zu nehmen, die über die Telefonleitung in seine Wohnung gelangen. Was entgegnen Sie diesem Argument?
Uwe Rehnig: Die Übertragung von TV-Programmen im DVB-C- oder auch DVB-S-Standard über bestehende Hausinfrastrukturen ist ein sehr günstiger Weg der Grundversorgung mit TV-Programmen. Die Anbieter, die auf die Telefonleitung aufsetzen, vergleichen meines Erachtens Äpfel mit Birnen, da sie den Aufbau und Betrieb der erforderlichen Netzinfrastruktur völlig außer Acht lassen, denn die Inhouse-Verkabelung gehört ja dem Hauseigentümer und nicht der Deutschen Telekom oder OTT-Anbietern wie Zattoo oder waipu.tv. Stattdessen wird diese Infrastruktur fast als „gottgegeben“ unterstellt und man führt nur das reine Signalentgelt als Kosten für die „alternative TV-Versorgung“ an.
Vergleichen Sie das mit der Wasserversorgung in einem Gebäude: Wenn ich nur den reinen Wasserpreis berechne, aber nicht den Transportweg in die Wohnung, dann ist der Preis für den Mieter natürlich niedriger. Aber wie kommt das Wasser dann in die Wohnung? Mit Eimern? Dass wir dank Wasserleitungen und Trinkwasseranlagen nicht mehr täglich zum Brunnen gehen müssen, nennt man technischen Fortschritt. Aber das Errichten und Warten dieser Infrastruktur verursacht Kosten, die solidarisch auf alle umgelegt werden. Gleiches gilt für die TV-Versorgung. Insofern könnte man in der Diskussion um die Umlagefähigkeit der Kabelanschlussgebühren auch von der Abschaffung eines Solidarprinzips sprechen.
MediaLABcom: Aber man kann doch nicht von fairem Wettbewerb sprechen, wenn ein Anbieter bereits bei Abschluss des Mietvertrags einen Fuß zwischen Tür und Angel des Mieters hat, während andere Anbieter - bildlich gesprochen – vor dem Haus stehen und auf die Klingel drücken.
Uwe Rehnig: Lassen Sie mich etwas zum Begriff „Wettbewerb“ sagen, denn ich habe zurzeit das Gefühl, dass er teilweise für Lobbyinteressen missbraucht wird. Ich sehe hierbei ein Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und einer kostengünstigen Grundversorgung für Mieter. Nehmen wir als Beispiel für eine andere Position in der Betriebskostenverordnung die Müllentsorgung. Hier beauftragt meist die Kommune ein Unternehmen für die lokale Müllentsorgung in einem definierten Gebiet. Womit ist das unter Wettbewerbsgesichtspunkten gerechtfertigt? Folgt man der Argumentation, mit der die Umlagefähigkeit der Kabelanschlussgebühren auch im jüngst vorgelegten Diskussionsentwurf zur TKG-Novelle abgeschafft werden soll, müsste ich als Mieter auch das Recht haben, meinen Müllentsorger selbst zu bestimmen.
Es wäre jedoch blanker Unsinn, wenn sich jeder Mieter seinen eigenen Müllentsorger aussuchen könnte oder müsste. Zumal das Ergebnis mit und ohne Wettbewerb das Gleiche wäre: Der Müll wird abgeholt. Mit Wettbewerb allerdings zu deutlich höheren Konditionen und Belastungen für den einzelnen Mieter. Stellen Sie sich nur vor, wie die Lkw der unterschiedlichen Müllentsorger kreuz und quer durch Ihre Stadt führen, um ihre Kunden zu bedienen.
Ich ziehe diese Parallele, da sie deutlich macht, dass ein Solidarprinzip zwar einen minimalen Verzicht auf Wettbewerb in einem kleinen Gebiet bedeutet, dafür aber eine deutliche Kostenreduktion für den einzelnen Nutzer möglich ist. Die Gemeinschaft spart also Kosten. Eine Grundversorgung mit immer denselben TV-Programmen - nur unter Berücksichtigung des Wettbewerbs - wird für den einzelnen Mieter deutlich teurer, wenn es nicht nur einen Anbieter für diese Grundversorgung gibt, sondern mehrere.
MediaLABcom: Der Markt mit Müllentsorgern als Anbieter und Kommunen als Nachfrager scheint zu funktionieren. Analog dazu wäre der Wettbewerb auf dem Gestattungsmarkt mit Wohnungsunternehmen und Netzbetreibern zu nennen. Hier spielen die, wie Sie sie nennen, „alternativen TV-Versorger“, aber kaum eine Rolle. Wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzesgeber hier für mehr Wettbewerb sorgen würde, anstatt die Umlagefähigkeit zu streichen?
Uwe Rehnig: Wir haben Wettbewerb auf dem Gestattungsmarkt.
MediaLABcom: Wirklich? Im Rahmen der Fusion zwischen Unitymedia und Vodafone wurde stets die daraus entstehende Marktmacht Vodafones auf dem Gestattungsmarkt angemahnt.
Uwe Rehnig: Uns Mittelständlern gelingt es immer wieder, von den großen Netzbetreibern Bestände zu gewinnen, weil unser Service besser ist. Das liegt auch daran, dass wir diejenigen sind, die sich auf der Netzebene 4 auskennen, weil wir die Inhouse-Netze gebaut haben. Deshalb würde ich durchaus sagen, dass auf dem Gestattungsmarkt Wettbewerb herrscht, zumal Gestattungsverträge nur noch über zehn Jahre laufen dürfen, d. h., in jedem Jahr steht ein Zehntel des Marktes wieder zur Verfügung, um neue Verträge abzuschließen.
Was ich aber noch einmal unterstreichen möchte: Im Bereich der Inhouse-Verkabelung sind die mittelständischen Netzbetreiber die Experten. Das werden wir insbesondere bei der Modernisierung der Netzebene 4 mit Glasfaser erleben, die langsam in den Fokus des Breitbandausbaus kommt. Wir sind diejenigen, die wissen, wie Inhouse-Netze für die Gigabit-Zukunft ausgebaut werden müssen.
Entzieht man den mittelständischen Kabelnetzbetreiber nun aber die Refinanzierungsmöglichkeit durch die Abschaffung der Umlagefähigkeit, wird sich der Glasfaserausbau in den Häusern unnötig in die Länge ziehen. Dann haben wir zwar in einigen Jahren die Glasfaser überall im Keller liegen, aber nicht bis in die Wohnungen.
MediaLABcom: Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung der Umlagefähigkeit auf das Sammelinkasso?
Uwe Rehnig: Es würde praktisch abgeschafft werden.
MediaLABcom: Die Umlagefähigkeit soll laut TKG-Novelle Ende 2025 wegfallen. Es wird behauptet, dass Wohnungsunternehmen immer weniger auf das Sammelinkasso zurückgreifen. Nimmt die Abschaffung also lediglich eine Marktentwicklung vorweg?
Uwe Rehnig: Aus meiner Berufspraxis gesprochen kann ich nicht feststellen, dass immer weniger auf das Sammelinkasso zurückgegriffen wird. Im Gegenteil: Wir haben in den vergangenen Jahren viele tausende Wohnungen von einem Einzel- und auf ein Sammelinkasso umgestellt. Und als ausschlaggebender Punkt war dies insbesondere motiviert durch die Kostenersparnisse für die Mieter.
MediaLABcom: Inzwischen haben sich zahlreiche Institutionen und Organisationen, von TV-Sendern über die Wohnungswirtschaft bis zu den Bauministern der Länder, gegen die Abschaffung der Umlagefähigkeit geäußert. Kommt der wachsende Widerstand beim Gesetzgeber an?
Uwe Rehnig: Wenn die Entscheidungsträger im Bundeswirtschaftsministerium auf die von Ihnen zitierten Fachleute hören und nicht auf bezahlte Lobbyisten von Unternehmensvertretern, dann besteht hierfür berechtigte Hoffnung.
Wie schwierig die Abstimmung in den Ministerien ist, zeigt aber die Tatsache, dass man sich bis Stand heute noch nicht einmal auf einen Referentenentwurf zur Verbändeanhörung geeinigt, sondern nur einen Diskussionsentwurf veröffentlicht hat.
MediaLABcom: Auf dem FRK-Breitbandkongress schlugen Sie vor, die Umlagefähigkeit beizubehalten, indem man Netz und Dienst trennt. Wie soll das vonstattengehen?
Uwe Rehnig: Ich stelle mir vor, dass man § 2 Nr. 15 BetrKV nicht komplett streicht, sondern lediglich den Teilsatz der unter Buchstabe b aufgeführten „laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse“ herausnimmt.
Wichtig ist hierfür auch, dass wir uns einmal die Begründung zur Komplettstreichung im Diskussionsentwurf der TK-Novellierung ansehen. Hier, in Artikel 14, wird als Argument für die Abschaffung der Umlagefähigkeit immer auf den Kabelfernsehdienst abgestellt – und dies mit Verweis auf das europäische Wettbewerbsrechts. Diese Argumentation kann man - wenn man die bereits dargelegten Vorteile einer kostengünstigen TV-Grundversorgung für eine Vielzahl von Mietern außer Acht lässt – in Ansätzen teilweise sogar noch nachvollziehen.
Schwierig wird es aber an der Stelle, an der die vollständige Abschaffung von § 2 Nr. 15 BetrKV begründet wird. Das ist eine sehr, sehr dünne Erklärung für die Abschaffung sämtlicher Kostenpositionen. Ich zitiere: „Entsprechend der vorangegangenen Erwägungen ist § 2 Nummer 15 Buchstabe a BetrKV konsequenterweise ebenfalls zu streichen, da sich mit Blick auf die Kosten des Betriebs der Gemeinschaftsantennenanlage und die Umlagefähigkeit des Nutzungsentgeltes die gleiche Problematik ergibt.“
Welche Problematik soll das sein? Zum Thema „laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse“ lässt sich der Gesetzgeber über eine Seite lang aus. Alle anderen Kostenpositionen werden mit dem zitierten, lapidaren und nichtssagenden Satz gestrichen. Man argumentiert mit Wettbewerbsrecht, um Kostenpositionen wie den Betriebsstrom, die regelmäßige Prüfung, Störungsbeseitigung und Wartung oder auch die Umlagefähigkeit von Urheberrechten abzuschaffen. Das scheint mir doch sehr weit hergeholt und weltfremd.
MediaLABcom: Welche Vorteile hätte Ihr Vorschlag?
Uwe Rehnig: Ich denke, wir könnten mit diesem Vorschlag sowohl den Kritikern der angeblichen Wettbewerbsverzerrung in der Umlage von Kabelfernsehentgelten nachkommen - dies allerdings mit dem Nachteil, dass es für die einzelnen Mieter teurer wird - und zugleich nicht die historische Chance verpassen, zukunftssichere, Gigabit-fähige Hausverteilnetze zu errichten, zu finanzieren und zu betreiben. Dies alles mit dem Ziel, dass der technologische Fortschritt in Deutschland hin zur Gigabit-Gesellschaft nicht ausgebremst wird.
MediaLABcom: Der BREKO schlägt vor, die Umlagefähigkeit für einen bestimmten Zeitrahmen auf den Bau von Glasfaseranschlüssen, also FTTH, anzuwenden. Der Zeitraum könnte bei Gewährung eines Open-Access-Zugangs verlängert werden. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Uwe Rehnig: Er beinhaltet meines Erachtens auch den von mir dargelegten Vorschlag einer Trennung von Netz und Dienst. Damit wären dann auch die vermeintlich wettbewerbsrechtlichen Bedenken beseitigt und es gäbe keinen Grund mehr, die Umlagefähigkeit der Netzmodernisierungen und des Netzunterhalts zu eliminieren.
In welcher detaillierten Form sich der BREKO-Vorschlag jetzt noch in das Gesetzgebungsverfahren einbringen und umsetzen lässt, sehe ich allerdings kritisch. Sollte die komplette Streichung von § 2 Nr. 15 BetrKV tatsächlich kommen, wäre der Vorschlag ein Ansatz, mit dem bei der nächsten TKG-Novelle versucht werden könnte, die verlorene Zeit für den Gigabit-Ausbau des Landes wieder gut zu machen.
MediaLABcom: Ist eine Tendenz erkennbar, in welche Richtung der Gesetzgeber gehen wird?
Uwe Rehnig: Trotz eingangs erwähnter Bekenntnisse relevanter Gruppen und Mandatsträger für die Beibehaltung der momentanen Regelung, leider nein. Mir verbleibt nur die Hoffnung, dass im Interesse der Mieter die gegenwärtige Gesetzgebung, wenn überhaupt, dann nur marginal, etwa in dem von mir aufgezeigten Rahmen, verändert wird. Aber wie wir alle ja wissen, ist man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand. Leider trifft das manchmal auch auf Gesetzgebungsverfahren zu.
MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.